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Unfreie Wohlfahrtspflege unterm Hakenkreuz

Zwischen 1933 und 1945 steht die Hilfskasse unter Aufsicht des NS-Regimes.

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Der Nationalsozialismus verlangt Konformität – auch von den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege.

Unmittelbar nach der Machtübernahme im Januar 1933 beginnt die nationalsozialistische Regierung damit, das Land gleichzuschalten. Schlüsselpositionen werden mit regimetreuen Führungskräften besetzt, Organisationen „auf Linie“ gebracht und Strukturen verändert.

Auch in der Wohlfahrtspflege: Mehrere Verbände werden aufgelöst und schon 1933 durch die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ (NSV) ersetzt. Ihr muss sich im Juli 1933 der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ unter der neuen Bezeichnung „Fünfter Wohlfahrtsverband“ anschließen. Gleichzeitig werden das Deutsche Rote Kreuz, der Caritasverband und die „Innere Mission“ zur „Reichsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege“ zusammengefasst.

Immerhin bleibt die Hilfskasse bestehen, wenngleich unter starkem Einfluss des NS-Regimes. Die „Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden“ muss zwangsweise als Gesellschafter ausscheiden. Ihren Platz nimmt 1934 die NSV ein, inklusive einiger Positionen im Aufsichtsrat und in der Geschäftsführung.

Ideologische Zielsetzungen des Nationalsozialismus statt Mitmenschlichkeit

Mitmenschlichkeit, die prägende Maxime der Hilfskasse, kommt nun kaum mehr zum Tragen, vielmehr stehen ideologische Zielsetzungen des Nationalsozialismus im Mittelpunkt. Ein Großteil der Wohlfahrtspflege wird vom NSV gesteuert; der Hilfskasse bleibt oft nur die finanzielle Abwicklung. Bald fließen auch die meisten Wohlfahrtsgelder nicht mehr über die Hilfskasse, die Bilanzsumme geht zurück: von 10 Millionen Reichsmark im Jahr 1933 auf 8,8 Millionen im Jahr 1941. Danach steigt sie wieder deutlich, bis 1944 auf 19,4 Millionen. Der Grund ist einfach: Der Bedarf an Krediten geht kriegsbedingt stark zurück, stattdessen legen viele Wohlfahrtseinrichtungen ihre nicht zur Kredittilgung benötigten Gelder als Überschüsse bei der Hilfskasse an.

Erschwerte Bedingungen nach Kriegsausbruch

Ende in Trümmern: 1945 sind weite Teile Berlins zerstört oder beschädigt, auch das Gebäude der Hilfskasse in der Oranienburger Straße.

Die Hilfskasse arbeitet seit Kriegsausbruch unter erschwerten Bedingungen. Viele Beschäftigte, darunter Direktor Liebchen, werden zur Wehrmacht eingezogen. 1943 zählt sie nur noch 16 Mitarbeiter. Diese müssen nach dem Bombenangriff im November 1943, der das „Wohlfahrtshaus“ schwer beschädigt, aus glücklicherweise nicht verbrannten Zweitschriften in fast pausenloser Arbeit sämtliche Kundenkonten wieder herstellen. Der nur dadurch ermöglichte Geschäftsbericht 1943 dankt für diese „Treuetat“ und lobt, die „Gefolgschaftsmitglieder“ hätten „in unermüdlichem Arbeitseifer und gewohnter Pflichttreue [...] ihre Einsatzbereitschaft vorbildlich bewiesen“. Das tun sie auch, als die Hilfskasse nach einem weiteren Bombenangriff in ein Ausweichquartier in Heringsdorf umzieht. Zum Erliegen kommt ihre Tätigkeit erst, als mit dem Kriegsende im Mai 1945 die Naziherrschaft endet und die Hilfskasse durch die „Ruhensanweisung“ des Magistrats von Berlin ihren Geschäftsbetrieb vorübergehend einstellen muss.

Im Seebad Heringsdorf konnte die Hilfskasse nach der Bombardierung des Berliner Stammhauses ein Ausweichquartier beziehen.

Gutachten: Die Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen im Nationalsozialismus

Anlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums hat die Bank für Sozialwirtschaft das wissenschaftliche Gutachten „Die Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen im Nationalsozialismus“ erstellen lassen. Das Fazit finden Sie hier, das Gutachten können Sie per E-Mail anfordern: investor-relations@sozialbank.de

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